Mathematikunterricht vergleichend zwischen den Schularten
Dr. Sonja Bayer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin DIPF
Welche Schulart Lernende besuchen, entscheidet maßgeblich über den weiteren Bildungsverlauf. Dies bezieht sich nicht nur auf Unterschiede zwischen den Schularten in den angebotenen Fächern und auf die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Abschluss zu erzielen, sondern auch auf die kognitiven und affektiven Entwicklungsmöglichkeiten der Lernenden. Aus der Forschung zu Kompositionseffekten, welche den Einfluss der Schülergruppe auf die Leistungsentwicklung des einzelnen Lernenden untersucht, kann gefolgert werden, dass die spezifische Zusammensetzung der Schülergruppe an den Schularten eine Ursache sein kann. In Abgrenzung zur Komposition werden in der Literatur Merkmale der Institution als Ursache für unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten an den verschiedenen Schularten genannt. Jedoch mangelt es bislang an theoretischen Überlegungen und Studien, welche versuchen, die zugrunde liegenden Mechanismen zu erklären und zu analysieren.
Ziel des Dissertationsvorhabens war es daher, zum einen den Unterricht vergleichend zwischen den Schularten zu betrachten und zum anderen für Unterschiede in den Unterrichtsprozessen potentielle Vermittlungsmechanismen zu untersuchen. Um relevante Merkmale herzuleiten, verknüpft die hier vorliegende Arbeit die Systemebene mit theoretischen Modellen und Befunden aus der empirischen Unterrichtsforschung. Konkret werden Merkmale der Unterrichtsinhalte, der Lehrerüberzeugungen sowie der Schülergruppe als Vermittlungsmechanismen untersucht. Zudem sollte ergründet werden, welche Bedeutung die Unterschiede in den Unterrichtsprozessen für die kognitive Entwicklung der Lernenden haben. Da die Beschreibung des Unterrichts auf Fragebogendaten beruht, wurde zudem untersucht, ob die eingesetzten Fragebogeninstrumente invariant zwischen den Schularten sind und inwieweit die Daten durch Antworttendenzen verzerrt sind.
Für die empirischen Analysen wurden die Daten der nationalen PISA 2012‑Studie mit einem Schwerpunkt auf dem Mathematikunterricht und der Mathematikleistung von Lernenden in neunten Klassen herangezogen. In einer Ergänzungsstudie (PISA Plus) wurden dieselben Lernenden in der zehnten Klasse erneut getestet und befragt. Zusätzlich zu den Angaben der Lernenden wurden in die angestellten Sekundäranalysen die Aussagen Mathematiklehrkräften zum Unterricht einbezogen.
Zentrale Ergebnisse
- Invarianzanalysen zeigen, dass die verwendeten Instrumente zur Erhebung der Einstellungen von Lernenden sowie zu pädagogischen Überzeugungen zum Unterricht teilweise nicht geeignet sich, um Vergleiche zwischen Schularten anzustellen. Zudem sind die Daten durch Antworttendenzen verzerrt, weshalb die vergleichenden Analysen nur unter Kontrolle dieser durchgeführt werden.
- Die Klassen an den Schularten unterscheiden sich übereinstimmend mit bisherigen Befunden neben den mittleren Leistungen und der sozialen Zusammensetzung vor allem in den unterrichteten Inhalten sowie der kognitiven Aktivierung und schülerorientierten Unterrichtsmethoden. Unterschiede in den Einstellungen der Lernenden und der Disziplin im Klassenzimmer konnten nicht repliziert werden.
- Unterschiede in den Unterrichtsprozessen werden teilweise vermittelt über die unterrichteten Inhalte und die Leistungszusammensetzung der Lerngruppe.
- Die Zusammenhänge zwischen schülerorientierten Unterrichtsmethoden und der Leistungsentwicklung unterscheidet sich zwischen den Schularten. Für Merkmale der kognitiven Aktivierung finden sich innerhalb der Schularten keine Zusammenhänge mit der Leistungsentwicklung.
Referenz: Bayer, S. (2020). Mathematikunterricht vergleichend zwischen den Schularten. Waxmann. https://www.pedocs.de/volltexte/2020/21070/pdf/Bayer_2020_Mathematikunterricht_im_Vergleich.pdf➚
Betreuer: Prof. Dr. Eckhard Klieme